Florian räumt Lotte gute Chancen ein. Lotte sieht Lieselotte vorn. Und Lieselotte sieht in Joleen die Siegerin. „Ihr wart alle ganz dicht zusammen“, hält Frau Schindler fest. „Wir haben uns schon gefragt, was wir machen, wenn ihr alle die gleiche Punktzahl habt.“ Und dann verkündet sie, wer knirsch gewonnen hat.
In der Stadtbibliothek Bernau fand am Mittwoch, dem 19. Februar, der Kreisausscheid zum 66. Vorlesewettbewerb der 6. Klassen statt. 17 Schulsieger – 14 Mädchen und 3 Jungs – trafen sich, um einen geübten und einen unbekannten Text möglichst flüssig und ausdrucksstark vorzulesen. Als Sieger der Schule Finowfurt nahm Florian aus der 6a teil. Aus der Gemeinde Schorfheide war außerdem Lotte am Start, die Siegerin der Grundschule Groß Schönebeck.
Und eben jene Lotte darf nun als Erste auf dem roten Ohrensessel Platz nehmen und ihren Text vortragen. „Ich war ganz schön aufgeregt, aber dann hab ich kurz gewartet … und geatmet.“ Das hilft: Lotte liest ihren Text aufnahmereif vor. „Sie liest wahnsinnig viel“, erklärt ihre Mama, „und das schon seit vielen Jahren.“ Die fünfköpfige Jury aus Mitarbeiterinnen der Bibliothek und einem Azubi hört genau zu und vermerkt die Punkte.
In der ersten Reihe und genau vor dem roten Ohrensessel sitzt Florian und wartet auf seinen Auftritt, während die 6a in Finowfurt Mathe hat. „Ich find’s cool, dass sowas organisiert wird“, sagt Jette aus seiner Klasse, „aber ich glaube, ich würde mich nicht selbst trauen, dort vorzulesen.“ „Ich würde gern zuhören wollen, wie er liest“, fügt Milla hinzu, aber das dauert noch. Denn erst lesen elf andere Schulsieger ihre Ausschnitte vor. Viel Fantasy ist dabei, aber auch deutschsprachige Autoren wie Martin Muser, der mit „Kannawoniwasein“ einen Erfolg feierte, der schon zwei Fortsetzungen fand – gelesen hier und jetzt von Nina, der Siegerin vom Humboldt-Gymnasium Eberswalde.
Dann ist in Finowfurt die 5. Stunde aus und in Bernau darf Florian auf dem roten Ledermöbel Platz nehmen. „Hat er super gemacht!“, wird seine Klassen- und Deutschlehrerin Frau Rüppel gleich sagen. „Man hat die Aufregung gar nicht so gemerkt.“ Aber Florian wird protestieren: „Ich habe eine Seite übersprungen!“ Wie gut, dass das niemand im Saal bemerkt hat – auch die streng blickende Jury nicht. So bekommt Florian herzlichen Applaus für seine Vorleseleistung, die aus nichts als Druckerschwärze ein buntes Stück Leben auf die Bühne gezaubert hat.

Halb vier in Bernau. „Nach der Pflicht folgt die Kür“, sagt Frau Schindler von der Stadtbibliothek vor dem zweiten Teil, obwohl es bei Lichte besehen anders herum ist: Die Kür haben die Kinder hinter sich, was ihnen nun bevorsteht, ist die Pflicht, aus einem unbekannten Buch vorzulesen – der Moment der Wahrheit bei vielen Vorlesewettbewerben.
„Das ist mir jetzt auch egal, jetzt kenn ich das ja“, hatte Lotte in der Pause noch gesagt – nun darf sie tatsächlich auch die zweite Leserunde eröffnen. Und selbst die geübtesten Ohren im Saal haben es schwer, wirklich zu hören, dass Lotte diesen Text nicht kennt. Sie liest flüssig, gestaltet die wörtliche Rede charmant und findet stets die passende Satzmelodie. Vorlesekunst check und Grüße nach Groß Schönebeck. (Die nächste Runde des Vorlesewetbewerbes Schorfheide steht bevor.)

„Ich habe besser gelesen als gedacht“, schätzt Florian seine Leistung später ein, und wirklich hat er allen Grund, zufrieden mit sich zu sein. Beim ungeübten Text noch den Blickkontakt mit dem Publikum zu halten, das zeichnet gute Vorleser aus. Und wer gewinnt nun? 14 Mädchen und 3 Jungs warten jetzt nach ihrer Pflicht auf die Wahrheit der Juryentscheidung.
14 zu 3 – Moment mal, was für ein schiefes Verhältnis! Florian, was ist da los? „Mädchen lesen einfach gern“, stellt der Finowfurter Schulsieger fest. Aha, und Jungs? Nun überlegt Florian einen Moment, dann zückt er die Erkärung: „Jungs sind einfach Jungs.“ Und so ist es vielleicht keine Über-Überraschung, dass ein Mädchen gewinnt an diesem Tag und den Kreis nun beim Bezirksausscheid vertreten wird. Herzliche Gratulation und beste Wünsche für die nächste Runde gehen an Nina vom Humboldt-Gymnasium! Kannawoniwasein? Issabamawa!